Trends in der Architektur 2022
Revitalisierungskraft stärkt Stadt und Land: Auf den Umgebungskontext kommt es an!

Die Anzahl architektonischer Transformationsprojekte im Bestand wächst weltweit, zu langsam, aber stetig. Gerade in Innenstädten erfährt der Trend relevanten Auftrieb, denn hier entscheiden Interessengruppen, darunter vor allem private Bauherr/-innen oder Wohnungsbaugesellschaften, immer öfter über den Erhalt gebauter Substanz. Treiber dieser Entwicklung sind politische Vorgaben, das ökologische Bewusstsein innerhalb der Gesellschaft und der Druck auf Kommunen, Städte bedarfsgerecht und lebenswert für kommende Generationen zu entwickeln. Gerade in Städten und vor allem in den wirtschaftsstarken Ballungsräumen wird für immer mehr Menschen Lebens- und Arbeitsraum benötigt.
Das erklärte Ziel – ohne weiter auf Flächenwachstum zu setzen – ist es, bestehende Strukturen zu optimieren und zu erweitern. Es gilt, Strategien für eine effiziente Stadtnutzung zu entwickeln und die Stadt von innen heraus zu erneuern. Aber auch die Angst vor einem Wertverfall der eigenen Immobilien veranlasst Eigner/-innen zu anspruchsvollen Revitalisierungsmaßnahmen. In der komplexen Abwägung zwischen Neubau und Umbau fallen Argumente einer kulturellen Bewahrung der städtebaulichen Entwicklung schwer ins Gewicht: Warum nicht fehlende räumliche und typologische Qualitäten ergänzen, die Stadt weiterdenken und dabei ihre gebaute Identität bewahren? Das ultimative Bekenntnis zu einer modernen Interpretation von Architektur, die lokal geprägt ist, und zu einer Verdichtung öffentlicher Außenräume mit Mehrwert für die Bevölkerung ist das Gebot der Stunde. Dabei gehören der Umgebungskontext und die Topografie des Standorts zu den Wegweisern in modernen Gestaltungskonzepten. Wo die Bevölkerung nach Raum ruft, und die Nachverdichtung zunimmt, gewinnen auch Freiflächen an Bedeutung.
Unter Aspekten der Ökologie, der Erholung, Bewegung und nicht zuletzt der Ästhetik wächst so das Potenzial landschaftsarchitektonischer Projekte. Revitalisierung trifft den Nerv der Zeit, bleibt aber eine Herausforderung in Stadt und Land. Einige besonders eindrucksvolle Bauprojekte im Bereich des Neubaus und der Revitalisierung wurden mit den ICONIC AWARDS 2022: Innovative Architecture ausgezeichnet. Allen gemeinsam ist der Fokus auf den bioklimatischen und identitätsstiftenden Bedingungen des Objekts und des Standorts.
Beispielhafte Projekte:
Stable Conversion in Chernex (Schweiz) von Link Architectes
Kulturbahnhof Aalen in Aalen (Deutschland) von a+r architekten
Forest Fish Tail Park in Nanchang City (China) von Turenscape
The Handan Wastewater Cleansing Terraces in Handan (China) von Turenscape
Station Square Colalbo in Bozen (Schweiz) von Roland Baldi Architects
Architektur mit Zukunft: Material matters!

Nachhaltiges Bauen ist nicht mehr nur ein Trend, sondern eine dringliche gesellschaftliche Herausforderung. Um künftigen Generationen eine lebenswerte Umwelt zu ermöglichen, steht die Branche vor einem Paradigmenwechsel. Der Bausektor verantwortet einen beachtlichen Teil der globalen CO2-Emissionen. Wie kann die graue Energie reduziert werden, die bei der Errichtung eines Gebäudes und dessen Abriss zugunsten eines Neubaus an gleicher Stelle entsteht? Welche Maßnahmen leiten den vielzitierten Strukturwandel ein, wenn das Ziel ist, mit weniger Material und wenig Energie für mehr Menschen zu bauen?
Nachhaltige Baustoffe revolutionieren die Architektur. Holz ist der über Jahrtausende verwendete Tausendsassa, der nachwachsend, regional verfügbar und in unbehandelter Form wiederverwertbar, alle Kriterien der Nachhaltigkeit in sich vereint. Neben seinen baulichen Eigenschaften verbessert er die Akustik und sorgt auch im Innenbereich für ein angenehmes Raumklima und eine wohnliche Atmosphäre. Es reguliert Luftfeuchtigkeit und absorbiert Schadstoffe. In den Fokus rücken längst auch Materialien wie Kork, Lehm, Naturstein, Reet, Ton und Ziegel, die über eine Vielzahl an Eigenschaften für kreislaufwirtschaftliches Bauen verfügen. Die Materialauswahl ist beim Bau eines Gebäudes zwar keineswegs der einzige über dessen Nachhaltigkeit entscheidende Aspekt. Über die verschiedenen Lebensphasen hinweg wird an Wartungsarbeiten und Reparaturen, Renovierung, Energieversorgung und Rückbaubarkeit bemessen, ob ein Gebäude ganzheitlich geplant wurde und als langlebiges Objekt einzustufen ist. Einig ist man sich, dass relevante Emissionseffekte künftig erst erzielt werden, wenn verbaute Materialien nach Ablauf des Nutzungszyklus eines Gebäudes nicht mehr deponiert werden müssen, sondern sie Mehrwert für kommende Projekte bieten. It’s the material that matters! In einer Welt, in der weltweit mehr Bauvolumen benötigt wird als Baumaterialien aktuell in den Stoffkreislauf zurückfließen können, wiegt diese Erkenntnis schwer. Auch deshalb setzen immer mehr Bauprojekte alternative Baustoffe wie Hanf, Bambus oder Myzelien ein, die regenerativ kultiviert werden und ein enormes CO2-Einsparpotenzial aufweisen.
Die Gewinner/-innen der diesjährigen ICONIC AWARDS 2022: Innovative Architecture überraschen mit vielseitigen Impulsen im Umgang mit neuen ökologischen Maßgaben und gesellschaftlichen Bedürfnissen.
Beispielhafte Projekte:
Stanbridge Mill Library in Dorset (Großbritannien) von Crawshaw Architects
Braga Public Market in Braga (Portugal) von Apto Architecture
Historisches Archiv der Stadt Köln und Rheinisches Bildarchiv in Köln (Deutschland) von Waechter + Waechter Architekten
Gemdale Corporate Upgrade Lobby in Kuming (China) von One Plus Partnership Limited
Housing Block Bagebi in Tiflis (Georgien) von Wunderwerk