TRENDREPORT 2024
Wooden Grids: Die experimentelle Holzbauweise
Der Holzbau erlebt eine Renaissance, getrieben durch technische Innovationen und Nachhaltigkeit. Holz wird zunehmend in hybriden Konstruktionen mit Beton verwendet. Die Nutzung lokaler Holzarten, früher als ungeeignet betrachtet, ist nun ein Zeichen der Zeit. Die ICONIC AWARDS: Innovative Architecture haben in diesem Jahr gleich mehrere Projekte ausgezeichnet, welche Holz auf ungewohnte und experimentelle Weise einsetzen. Sie zeigen neue Wege für den Baustoff Holz im Neubau- und Umbauprojekten, in Hochhäusern, Bildungsbauten und Hospitality-Projekten auf.
Hotel Bergeblick: Experimente im Holzbau
Das Architekturstudio Beham hat in Bad Tölz ein experimentelles Holzgebäude geschaffen, eingebettet in die Voralpenlandschaft. Das Hotel besteht aus einer Matrix aus vertikalen und horizontalen Holzstreben, inspiriert vom benachbarten Stadtwald. Für das Projekte nutzte der Architekt Sebastian Beham eine Kombination verschiedener Bauweisen, welche je nach Bedürfnis eingesetzt wurden. Der Gästetrakt wurde in einer Hybridbauweise aus Holz (im Holzrahmenbau) und Beton geschaffen, welche den Brand- und Schallschutz gewährte. Im öffentlichen Bereich wird eine Holzskelettbauweise mit Brettsperrholzdecken verwendet, da dort der Schall- und Brandschutz weniger kritisch sind. Die thermisch und konstruktiv getrennte Skelettkonstruktion ermöglicht eine spätere Revision der äußeren Elemente ohne Wärmebrücken.
Bei der Auswahl des Holzes entschieden sich die Architekten für das bei Bauprojekten sonst wenig beliebte Fichtenholz. Um es zu stärken, wurde das regionale Holz in Scheiben geschnitten, Schwachstellen wurden entfernt und die Balken verleimt. Knotenpunkte aus offenem Hirnholz wurden durch eine PU-Abdichtung vor Verrottung geschützt, was Metallabdeckungen überflüssig macht. Dieses Projekt war durch das Vertrauen des Bauherrn und durch zahlreiche Haftungsfreizeichnungen möglich und ist nicht zuletzt auch der Experimentierfreude des Architekturstudios zu verdanken.
Der moderne Holzbau ist geprägt von Brandschutzvorschriften, statischen Anforderungen und Materialnormen, welche in vielen Fällen experimentelles Bauen erschweren oder sogar verhindern. Der Gebäudetyp-e in Bayern soll dies erleichtern, indem er den Einsatz ungewohnter Materialien und Bauweisen ermöglicht. Auch das Hotel Bergeblick entspricht diesem Gebäudetyp.
Erlebnis-Hus St. Peter-Ording: Ein Abenteuer aus Holz
Holzer Kobler Architekturen errichtete an der Küste von St. Peter-Ording ein Mixed-Purpose-Gebäude in Pfahlbauweise 2.0. Vertikale und horizontale Holzbalken bilden eine Holzmatrix mit Aussichtsplattformen und Glasfronten, die den Blick ins umliegende Biotop ermöglichen. Eine metallene Rutsche windet sich durch die offene Holzfassade. Das Erlebnis-Hus integriert einen Indoor-Spielplatz, ein Restaurant und eine Touristen-Information.
Die Holzmatrix des Gebäudes ist kombiniert mit einem Stahlbeton-Fundament für die nötige Stabilität. Sibirische Lärche wurde als Material gewählt, da es durch seine Haltbarkeit überzeugt. Bei diesem Projekt wurden die Knotenpunkte so gestaltet, dass sie durch stetigen Luftzug trocknen können. Eine PU-Beschichtung war wegen der örtlichen Bedingungen nicht möglich.
Weitere spannende Projekte sind:
HOLZER KOBLER ARCHITEKTUREN, Erlebnis-Hus St. Peter-Ording
BEHAM ARCHITEKTEN, Hotel Bergeblick
MARQUES ARCHITEKTEN, Francesco, Luzern
DORNER \ MATT \ ARCHITEKTEN, Gemeindezentrum Lech am Arlberg
The Pressure’s On: Das neue Bauen im Bestand stiftet Inspiration zum Umgang mit architektonischen Herausforderungen
Ein neues Mindset prägt die Architektur: Innovative Konzepte entstehen zunehmend durch spezifische Herausforderungen und gezielten Handlungsdruck, anstatt durch unbegrenzte Freiheit. Besonders beim Bauen im Bestand zeigt sich, wie Architekt*innen die Balance zwischen Bewahrung und Neubau finden, indem sie vorhandene Strukturen vielseitig nutzen und interpretieren. Hier entstehen Raumkonzepte, die mal behutsam, mal radikal vorgehen, um stehts ortsspezifische Lösungen zu finden und so zukunftstaugliche und anpassungsfähige Lebensräume entstehen lassen. Davon zeugen die Preisträger*innen der diesjährigen ICONIC AWARDS: Innovative Architecture.
Der Umbau des alten Dresdner Blockhauses zum „Archiv der Avantgarden“ ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie durch den respektvollen Umgang mit historischen Strukturen und mutigen Interventionen überraschende Lösungen und neue Nutzungsmöglichkeiten entstehen können.
Das barocke Äußere des 1732 als Wachhaus errichteten und in den 1980er Jahren nach schweren Kriegsschäden wieder aufgebauten Gebäudes bleibt aus Gründen des Denkmalschutzes unangetastet. Doch im Inneren vollzieht sich ein radikaler Wandel: Ein massiver, grauer Betonkubus, der in der Mitte des Gebäudes zu schweben scheint, wird zum Herzstück des neuen Raumkonzepts, welches Platz für eine Forschungseinrichtung und Kunstsammlung bietet. Dieser Eingriff schafft nicht nur eine moderne, funktionale Nutzungsmöglichkeit für die 1.900 Quadratmeter Fläche, sondern gibt dem Gebäude eine neue, zukunftsweisende Identität – ohne seine historische Substanz preiszugeben.
Weniger radikal, aber ebenso inspirierend: das Kuilongfang-Projekt in Lianjiang, Fujian. Hier wurde ein historischer Bezirk behutsam modernisiert und in einen lebendigen Wohnort verwandelt. Die Architekten setzten auf traditionelle Materialien und interpretierten klassische Bauweisen neu, um die kulturelle Identität zu bewahren und den Gemeinschaftssinn zu fördern. Herausforderungen – in diesem Fall der Erhalt des kulturellen Erbes in einem modernen Lebensumfeld – führen zu durchdachten und ortsspezifischen Architekturkonzepten. Die Projekte verdeutlichen, dass außergewöhnliche Architektur entsteht, wenn sie sowohl die aktuellen als auch die zukünftigen Bedürfnisse der Menschen berücksichtigt und bestehende Strukturen als Ressource und Inspirationsquelle für Neues genutzt werden.
Beispielhafte Projekte:
Archiv der Avantgarden - Nieto Sobejano Arquitectos
Tannenhof-Quartier - HKF Hölzl Knote Frischholz Architekten und Innenarchitektin
Kloster Loccum Bibliotheksneubau - Pape+Pape Architekten